Online Kommunikation im Recruiting
Anhand welcher Kriterien kann eine zielgruppengerechte Onlinekommunikation als Kombination aus einer Karrierewebseite und korrespondierenden Social Media Kanälen als erfolgsversprechend für das Recruiting im Sinne der Gewinnung neuer Mitarbeiter in KMU beurteilt werden?
Was als Masterarbeit begonnen hat, ist ein Thema, was zwar wunderbar wissenschaftlich untersucht, beforscht und diskutiert werden kann. Vielmehr muss es aber tatsächlich gehört, umgesetzt und operabel gemacht werden.
Online und digital ist in den letzten Wochen zum neuen Standard geworden – es hat die Transformation quasi in die Zukunft katapultiert.
Dem Recruiting geht es eher anders – Unsicherheit, fehlende Aufträge und Umsätze haben Besetzungsprozesse gestoppt, oft sogar gecancelt.
Wird es da nicht erst recht Zeit für ein neues Recruiting – für ein danach? Wir hätten da schon mal etwas vorbereitet…
Wir können nicht NICHT kommunizieren im Recruiting
Eine den Bedürfnissen der Zielgruppe entsprechende Karrierewebseite in Kombination mit einer nutzeradäquaten Kommunikation steigert nachhaltig das Employer Branding von KMU als notwendige Voraussetzung für erfolgreiches Recruiting.
Soweit die Hypothese – was kann daraus folgen für ein neues, innovatives Recruiting?
Genauer: Wie hat sich das Kommunikationsverhalten im Zuge der Digitalisierung verändert? Wie müssen Kriterien formuliert sein, die gerade KMU gleichzeitig Leitlinie und Flexibilität für eine Recruiting Strategie bieten, die nach Corona relevanter werden wird denn je?
Von der Kommunikation…
Kommunikation hat sich im Verlauf der Jahre sowohl durch technische wie auch durch soziale Dimensionen gewandelt. Je schneller der technische Fortschritt desto stärker die Veränderung des Kommunikationsverhaltens. Durch sinkende Kommunikationskosten und steigende Kommunikationsmöglichkeiten gewinnen Kommunikation und deren Einfluss auf interpersonale Beziehungsmuster auffällig an Bedeutung.
Dies lässt sich festmachen an einer Steigerung der
- Interaktivität: Kommunikatoren kommt dabei eine Doppelrolle im Verhalten, nämlich dem parallelen Senden und Empfangen, zu
- Anonymität, was einhergeht mit einem sinkenden Verantwortungsbewusstsein für Inhalte, aber auch einer insgesamt steigenden Interaktionsfrequenz
- Individualisierung: Teilnehmer schlüpfen in verschiedene Rollen und erproben bzw. erweitern so ihr eigenes Kommunikationsverhalten
- Hypermedialität im Sinne einer Verbindung von Kommunikationskanälen und Wissensquellen
- Aktualität und Globalität, bei der Informationen, Nachrichten, Produkte und Wissen unabhängig von Raum und Zeit zur Verfügung stehen.
Die Komplexitätssteigerung durch Medien und moderne Kommunikationstechnologien bildet sich in komplexeren Kommunikationsprozessen ab und umgekehrt. Gleichzeitig besteht aber ebenso die Möglichkeit, dass moderne Kommunikationskanäle und deren Kombination (Channel Blending) zur Komplexitätsreduktion von Kommunikationsprozessen beitragen.
…über die Employer Brand…
Zwischen der Arbeitgebermarke – durch den Bewerber wahrgenommen als die Summe der Unternehmenswerte und die Ansprache im Recruiting Prozess – und dem Erfolg des (externen) Rekrutierens von Mitarbeitern besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Die Employer Brand entsteht durch eine differenzierte Employer Value Proposition, ein klares Markenbild, eine zielgruppengerechte Kommunikation der Arbeitgebermarke und den Rekrutierungserfolg als Messgröße. Sie ist umso wichtiger, je mehr Reputation als hochrelevanter Wettbewerbsfaktor angesehen wird. Gleichzeitig steigt ihre Relevanz mit den markenbildenden Attributen, die sich in der EVP manifestieren. Insbesondere die Bedürfnisse der Generationen Y und Z nach Beschäftigungsverhältnissen, die über eine Passgenauigkeit der Kompetenzen hinaus die Möglichkeit der Identifikation mit ganzheitlichen Wertevorstellungen beinhalten, machen die Arbeitgebermarke zu einem zentralen Element des Personalmanagements insgesamt und des Recruitings im Besonderen.
Daraus ergeben sich für KMU Anforderungen an
- die Sichtbarkeit via Unternehmenswebseite; in Bezug auf das Recruiting auch via Karrierewebseite (bzw. einer transparent gestalteten Integration in die Webseite),
- ein zielgruppengerechtes (bedürfnisgerechtes) Kommunikationsangebot,
- eine aktive und bewerberzentrierte Kommunikation,
- das Bewusstsein für den Einfluss von Kommunikation über Touchpoints, die außerhalb der Reichweite und Steuerungsfähigkeit des Unternehmens liegen,
- die Ausrichtung der Organisation auf veränderte soziale und mediale Kommunikationsprozesse.
…zum Online Recruiting
Die Mehrdimensionalität der Kommunikation muss sich auch im Recruiting Prozess widerspiegeln. Der Faktor der Sichtbarkeit eines Unternehmens durch eine Präsenz in unterschiedlichen Medien wird verstärkt durch den der Glaubwürdigkeit. Analoge (eindimensionale) Kommunikation wird nicht länger als ausreichend empfunden. Vielmehr wird eine größere Vielfalt an Kommunikationsmöglichkeiten mit einer höheren Glaubwürdigkeit des Unternehmens verbunden. Die Kommunikation der Employer Brand über diverse Medien ist folglich Voraussetzung sowohl für die Sichtbarkeit eines Unternehmens wie auch für das Vertrauen in dessen Arbeitgebermarke.
Während das Wissen um die Bedeutung neuer, crossmedialer Kommunikation im Recruiting auf Arbeitergeberseite durchaus vorhanden ist (bereits 2014 war das (internationale) Studienergebnis von Minchington dahingehend eindeutig), stellt sich die operative Umsetzung in der Praxis insbesondere in KMU deutlich anders dar. So verfügen zwar 72% der (deutschen) KMU über einen eigenen Internetauftritt, 95% der Webseiten haben aber Optimierungspotenzial. Hierzu zählen beispielweise eine Optimierung für Tablet und Mobiltelefon, eine Integration von Social Media sowie die Aktualität der Inhalte.
KMU, die ihre Karrierewebseite und den damit zusammenhängenden Austauschprozess mit Bewerbern als Instrument der Vereinfachung im Sinne eines Sichtbarmachens ihrer Employer Brand nutzen, haben Vorteile im Wettbewerb um Nachwuchskräfte. Dabei ist die Entwicklung der EVP als Teil der Employer Brand zunächst ein Prozess, der Klarheit über die Arbeitgebermarke innerhalb der Organisation schafft, und diese in einem zweiten Schritt dann in den Vermarktungsprozess gegenüber der Zielgruppe transferiert. Die veränderten Kommunikationsmöglichkeiten und sich daraus ergebenden Verhalten manifestieren sich in den Generationen Y und Z.
Während Konzerne und Großunternehmen ihre Sichtbarkeit als attraktiver Arbeitgeber durch entsprechende Kampagnen unterstreichen, von ihrer Produktmarke profitieren und die Organisationsstruktur mit zusätzlichen Positionen und Budgets für diesen veränderten Prozess aufstellen können, sind KMU hier Grenzen aufgrund von Größe und (Marken)Bekanntheit gesetzt.
Kriterien für eine Recruiting Strategie
Kriterien für eine Recruiting Strategie müssen folglich so formuliert sein, dass sie KMU gleichzeitig Leitlinie und Flexibilität bieten. Auch wenn mittelfristig personelle und finanzielle Investitionen in Personalkommunikation und Employer Branding als Schnittstellenfunktion eines Unternehmens getätigt werden müssen, sollten kurzfristige Handlungsempfehlungen niedrigschwellig und operabel sein.
Sowohl die untersuchten Studien wie auch die Karrierewebseiten und die Experteninterviews zeichnen hier ein weitgehend einheitliches Bild: erste Schritte auf dem Weg sind unternommen, aber es bleibt noch Entwicklungsspielraum. Anhand der Analysekriterien, die in die Fähigkeitslevels und das abschließende Reifegradmodell münden, können KMU eine individuelle Online Recruiting Strategie planen. Abhängig vom Zeit- und Ressourceneinsatz, aber auch von der Unternehmensgröße, der Branche und den Ausbildungsniveaus können die Kriterien sukzessive in Projektabschnitte eingeteilt werden. Fehlende Budgets und Positionen im HRM können durch Flexibilität, flache Hierarchien und Nischenvorteile kompensiert werden. Dabei lassen sich Praxisbeispiele gut strukturierter und den Kriterien entsprechender Webseiten von KMU als Benchmark heranziehen.
Reifegrade im Recruiting
Kritisch diskutiert werden Ursache und Auswirkung des Fachkräftemangels in Deutschland. Hier stehen sich externe (politische) Bemühungen und interne Maßnahmen aktuell oft diametral gegenüber. Während einerseits auf die Einwanderung von Fachkräften auch über die Grenzen der EU hinaus gesetzt wird, sehen Kritiker dieser einseitigen und aus Unternehmersicht passiven Bemühungen („Was unternimmt die Bundesregierung gegen den Fachkräftemangel?“) die Möglichkeiten, was innerhalb der Organisationen bewegt werden kann, als noch nicht ausreichend genutzt und ausgeschöpft an. Vielmehr seien die KMU in ihrer Wartehaltung das Problem – nicht ein Mangel an Arbeitskräften.
Vor dem Hintergrund der Frage, ob Fachkräfte zukünftig verstärkt international rekrutiert werden müssen, bekommt der Aspekt der Komplexitätsreduktion von Kommunikationsprozessen durch Tools noch einmal eine neue Bedeutung. Transparente Online-Bewerbungsprozesse mit einer eindeutigen Candidate Journey lassen sich durch Bild und Bildsprache auch einfacher auf ausländische Bewerbergruppen übertragen. Wenn die EVP definiert und im Unternehmen bekannt ist, reduzieren sich die Übersetzung des Bewerbungsprozesses und der Karrierewebseite auf den „technischen“ Vorgang. Der Schritt von der interpersonalen zur internationalen Kommunikation wird so erheblich vereinfacht. KMU sollten dies in ihren aktuellen Anstrengungen berücksichtigen, um auch in Bezug auf grenzübergreifende Personalbeschaffung „reif“ zu sein.
Recruiting der Zukunft zum Nachlesen und Mitmachen
Was nach einer ordentlichen Portion Wissenschaft klingt, lässt sich perfekt operationalisieren. Wie?
Lest ihr hier: https://www.springer.com/de/book/9783658299767